Diese Geschichte widme ich Korbinian zum Geburtstag. Alles Liebe!
Ich weiß gar nicht mehr, wie lange es her ist, aber, bevor die Geschichte in Vergessenheit gerät, muss ich sie endlich zu Papier bringen.
Es war an einem schönen Sommernachmittag, als wir uns auf den Weg nach Fischhaus machten.
Hans, der mittags vom Nachtdienst nach Hause kam, fuhr uns mit dem Auto zu unserem gewählten Startpunkt.
Wir, mein Sohn Korbinian und ich, hatten die glorreiche Idee von Fischhaus bis zur Oberilzmühle, in deren Nähe wir wohnen, flussabwärts an der Ilz mit der Luftmatratze zu fahren (fährt man eigentlich mit einer Luftmatratze oder schwimmt man damit; dies sollten wir auf jeden Fall noch herausfinden).
Also raus aus dem Auto, die Luftmatratzen aufgeblasen und rauf aufs Wasser. Nur mit Bikini bzw. Badehose bekleidet, die Badeschuhe auf der Matratze, winken wir unserem Chauffeur und meiner Tochter Anna nach, die so gerne auch mit uns kommen wollte, aber leider noch arbeiten musste.
In Höhe der Brücke in Fischhaus war die Ilz sehr niedrig, also schoben wir zuerst die Luftmatratzen – ab jetzt Lumas genannt, in etwas tieferes Wasser. Voller Freude legten wir uns dann bäuchlings auf die Lumas und paddelten mit den Händen los. Da von Strömung keine Spur war, erwies sich das Paddeln schnell als ziemlich anstrengend, also beschlossen wir, am Ufer auf einer Wiese flussabwärts zu gehen und etwas weiter unten dann bei stärkerer Strömung wieder ins Wasser zu steigen.
Also raus aus dem Wasser, die Lumas unterm Arm, ab in die Wiese! Da die Badeschuhe ziemlich rutschig waren, wollten wir barfuß über die Wiese laufen. Leider haben wir ziemlich schnell feststellen müssen, dass die Wiese frisch gedüngt war und wir ohne Schuhe in Kuhkacke gestiegen sind. Und das Tragen der Lumas unterm Arm (es handelte sich um richtig feste Lumas, so aus Stoff, schwer und langsam trocknend) war auch nicht gerade einfach, da sie ja wesentlich breiter als unsere Arme lang waren. Außerdem kann man sich so eine Luftmatratze ja nur unter einen Arm klemmen, der zweite nützt da gar nichts.
Naja, egal, wir stiegen am Ende der Wiese wieder ins Wasser. Schuhe auf die Matte, rein ins tiefe Wasser. Geschafft! Doch, was ist los? Von Strömung wieder keine Spur! Wir standen an Ort und Stelle. Von Fließen oder Fahren keinerlei Anzeichen. Zwei junge Burschen kamen uns in einer Zille entgegen, lachten und fragten uns, wo wir denn hinwollen. Keck sagte ich: „Zur Oberilzmühle“, worauf sie noch mehr lachten und weiterfuhren. „Was lachen die denn so blöd“, sagte ich, da ich eher Bewunderung erwartet hatte.
Also weiter gepaddelt, die Arme wurden immer schwerer und schwerer, es war keine Spur von cool, sondern enorm anstrengend. Mit den Oberarmen kamen wir an der Seite der Lumas an, so dass die Haut schon wund wurde. Links und rechts vom Fluss (kann man etwas Fluss nennen, was nicht fließt?) nur Wald und unzugängliches Ufer. Wir kamen kaum vorwärts. In Gedanken ging ich schon die restliche Strecke durch, und es befiel mich hier schon das komische Gefühl: „Vielleicht schaffen wir das ja gar nicht!“
Also wieder weitergepaddelt, bis wir am linken Ufer eine Stelle fanden, an der wir zum Wanderweg entlang der Ilz aussteigen konnten. Da am Uferrand Schlingpflanzen waren, stiegen wir von den Lumas ins Wasser. Ich kann das Gefühl gar nicht beschreiben, aber ich kann es heute nach so vielen Jahren noch spüren. Der Boden war nicht fest, ich stieg mit den Badeschuhen in Schlamm, die Schuhe saugten sich fest. Ich dachte, so fühlt es sich an, wenn man im Moor ertrinkt. Wir sanken bis zu den Waden im Schlamm ein, das Heben der Beine war wie Gewichtheben. Das
Wasser stand uns im wahrsten Sinne des Wortes bis zum Hals. Blasen stiegen aus unergründlichen Tiefen auf. Es roch nach fauligem Wasser. Oh Gott, ich dachte nur an die Fäulnis und an jede einzelne Pore meines Körpers! Ojemine, ich ekle mich heute noch davor. Und Wasserschlangen gibt es in der Ilz auch noch.
Angestrengt erreichten wir festen Boden und marschierten den Wanderweg, mit Bikini und Badehose, die Lumas unterm Arm, mit den Badeschuhen über Stock und Stein. Hier sei angemerkt, dass der Wanderweg sich nicht am Flussufer entlang schlängelt, sondern immer wieder bergauf und bergab geht, was dazu führte, dass wir, wenn uns ein Wanderer entgegenkam, ein sehr seltsames Bild abgeben mussten (hier sei weiters angemerkt, dass ich mich, obwohl es mit dem Älterwerden etwas leichter wird, sehr schnell schäme; Bikini auf dem Wanderweg gehört hier auch dazu! Ist fast wie Stöckelschuhe am Berg!)
Nächstes Ziel: die Mausmühle zu Fuß erreichen, dann beim Stausee wieder ins Wasser und zur dann in Sichtweite gelegenen Oberilzmühle paddeln.
Ich bin den Wanderweg schon oft gegangen, aber ohne Wanderschuhe mit einer Luma unterm Arm war der Weg unendlich lang und beschwerlich. Die Arme taten weh und im Schatten der Bäume war es mit dem nassen Bikini auch nicht gerade warm. Gegenseitig versuchten wir uns aufzubauen, bis wir endlich den Stausee erreichten.
Eine gute Stelle gesucht, ließen wir die Lumas wieder ins Wasser. Rauf mit uns, den Schuhen und voller Freude paddelten wir in Richtung Badestrand.
Der Stausee ist länger und breiter, wenn man sich auf ihm befindet!
Dachten wir anfangs, wir sind in einer halben Stunde am Ziel, wurden es nach ein paar Metern geschätzte 2 Stunden. Wir waren erschöpft, der Nacken schmerzte vom Kopfhochhalten, die Arme taten weh. In der Mitte der Lumas lagen wir mit dem Bauch im kalten Wasser, was nicht gerade angenehm war. Hinzu kam jetzt noch Müdigkeit. Langsam beschlich mich das Gefühl von Angst, dass wir einschlafen könnten (so `ne Art Sekundenschlaf) und dann von der Luma fallen würden. Oh, wie waren wir „cool“!
Gegenseitig unterhielten wir uns und ich glaube, ohne Korbinian hätte ich es nicht geschafft. Dazu kam auch noch, dass ich dachte, mein Mann würde uns schon vermissen und sich Sorgen um uns machen.
Das rettende Ufer kam nach einer gefühlten Ewigkeit immer näher. Der ganze Badestrand war voller Leute.
Korbinian war ein wenig schneller als ich, aber genauso erschöpft. Ich sah ihn von der Luma ins Wasser steigen, er bewegte sich langsam aufs Ufer zu, trat aus dem Wasser an Land und musste über eine gespannte Kette vor dem Wasserwachthaus auf die Badewiese – beobachtet von gefühlten hunderten Badegästen – steigen.
Der Geist war willig, aber irgendwie gehorchten die Beine nicht den Befehlen des Gehirns. Befehl des Gehirns: „Fuß heben, über Kette steigen!“ führte zu „Fuß bleibt am Boden, über Kette fallen.“
Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Ich musste lachen, wollte aber weinen ob der Aussicht, dass ich auch ans Ufer muss und der Erkenntnis, dass meine Beine schon viel älter sind als die von Korbinian.
Es war gar nicht lustig, die Beine waren Beine ohne Knochen, es waren Gummibeine. Ich fühlte, als würde jeder einzelne Badegast uns beobachten. Ich ging total wackelig, musste voll konzentriert gehen. Die Haare hingen runter, es war uns kalt, die Beine zitterten, kein Handtuch. So gingen wir mit der Luma unterm Arm über die Badewiese und mussten so auch noch 20 Minuten bergauf zu uns nach Hause laufen. Und wieder nur mit Badeschuhen und den Lumas unterm Arm.
Zu Hause angekommen – mein Mann hat geschlafen und sich somit keine Sorgen um uns gemacht – sofort ab in die Dusche, schließlich mussten alle Poren und die Kuhkackefüsse gründlich gereinigt werden.
Wir erholten uns relativ schnell von unserem coolen Ausflug, von Nachahmung raten wir aber dringend ab; die Nebenwirkungen könnten sich negativ auf Eure Gesundheit auswirken.
Aber immer wieder lachen wir über unser Erlebnis und wir lachen darüber, dass die Jungs in der Zille über uns gelacht haben und dass wir uns gefragt haben, warum sie so blöd lachen.
Die Ilz ist nach wie vor eines meiner Lieblingsorte, auch wenn sie keine Strömung hatte. Ich bin mir auf jeden Fall sicher, dass man mit einer Luftmatratze auf der Ilz weder fährt, noch schwimmt, sondern einfach nur unter extrem schweren Bedingungen paddelt. Der Wanderweg Fischhaus – Oberilzmühle ist ca. 8 km lang, gefühlt waren es mit der Luma mindestens 30.
Zum Geburtstag von Bini habe ich diese Geschichte aufgeschrieben, damit sie nicht in Vergessenheit gerät.
Alles Gute lieber Bini, bleib, wie du bist!
Und danke an meine Kinder, dass sie mich immer wieder zum Schreiben motivieren! Hat mal wieder richtig Spaß gemacht!