Mein spezielles Verhältnis zur Polizei kennt ihr ja schon aus meinen früheren Geschichten. Dass sich dieses jedoch auch in fernen Gefilden, wenn auch auf ganz andere Art und Weise, fortsetzt, hätte ich in meinen kühnsten Träumen nicht zu träumen gewagt.
Den Studienaufenthalt unserer Tochter in Spanien nutzten wir, einen Kurzurlaub einmal außerhalb unseres Campingbusses zu verbringen. Also ab nach Malaga! Außerhalb der Stadt hatten wir ein Hotel inclusive Mietwagen gebucht. Dank Navi ist es ja heutzutage kein Problem mehr, mit dem Auto mitten in eine fremde Großstadt zu steuern. Das Navi hilft aber nicht wirklich bei der Suche eines Parkplatzes, geschweige denn in die kleinsten Parklücken einparken zu können.
Auf jeden Fall hatte uns unsere Tochter darauf hingewiesen, dass ganz in der Nähe ihrer Wohnung eine Straße sei, in der man parken kann. Es gäbe kein Parkverbot und dort werde regelmäßig geparkt.
An den ersten zwei Tagen machten wir noch Ausflüge in die Natur. Abends genossen wir die Stadt in vollen Zügen.
Am Montag dann musste unsere Tochter nachmittags in die Uni und wir wollten die Stadt alleine erkunden. Also ab in die besagte Straße. Dort war auch wirklich noch eine Parklücke frei. Ich ging die Straße auf und ab, kein Schild zu sehen.
„Super, mitten in der Stadt ein kostenloser Parkplatz ohne Zeitbeschränkung!“ Wir besichtigten die Burg Gibralfaro, von dort gingen wir an den Strand und ließen es uns bis abends richtig gut gehen. Nach ca. 5 Stunden gingen wir zum Auto zurück. Da sah ich auch schon auf einer Mauer einen Zettel liegen, den ich sofort ins Visier nahm. Irgendwie sah er aus wie ein Strafzettel, ich dachte mir aber, das ist irgendetwas Altes.
Und schon durchfuhr es mich wie ein Blitz. Ich weiß nicht, ob ihr das kennt. Es ist wie ein Stromschlag, in Sekundenschnelle:
„Auch an unserer Autoscheibe ein Zettel!?“ „Bitte lass es nicht wahr sein!“
Auch wenn meine Spanischkenntnisse nur aus VHS-Kursen resultieren, die Zahl 200 sah ziemlich germanisch aus. Die unerklärliche, ziemlich blöde Frage, die ich mir stellte, war: 200 was? 200 Minuten? Oder was? Ich traute meinen Augen nicht 200 EUROS (sprich nicht eu sonder e-u-ros, was ja jetzt nicht unbedingt wichtig ist).
„Das kann doch nicht wahr sein!“ Ich versuchte den Text zu übersetzen, aber wir hatte keine Lektion im Spanischkurs „Strafzettel in Spanien“.
Was hilft mir jetzt auf Spanisch: „Soy Brigitte, me pone una taza de cafe, por favor!“ (Ich heiße Brigitte, bringen Sie mir bitte eine Tasse Kaffee!“) oder „Quieres venir a mi cuarto?“(„Willst du mit mir aufs Zimmer gehen?“) Ich glaube nicht, dass ich das mit dem Strafzettel jetzt wirklich will.
Na ja, wir beschlossen, ins Hotel zu fahren, weil dort mein Wörterbuch lag. Dort angekommen übersetzte ich den ganzen Text, wobei sich herausstellte, dass wir tatsächlich 200 EUROS wegen Parkens in einer nicht erlaubten Zone zahlen müssen. Wir hätten aber die Möglichkeit, gleich zu zahlen, dann wäre es nur die Hälfte. „200 EUR, soviel kostet uns nicht mal `ne ganze Woche Urlaub im Campingbus!“
Was tun?! Ich erinnerte mich daran, dass ich in der Fußgängerzone in Malaga eine mobile Polizeiwache für Touristen gesehen hatte und wir beschlossen, dort nachzufragen. Also wieder retour in die Stadt. Es war irre viel los an diesem Abend, rote Teppiche waren ausgelegt, aber nicht für mich, sondern für Gäste eines Filmfestivals. Aus Angst vor weiteren 100ten EUROS Strafe blieb mein Mann im Auto und ich ging zur Polizei.
Die Wache bestand aus einem Lieferwagen, in dem man hinten einsteigen konnte. Dort saß an einem Schreibtisch ein bewaffneter Polizist.
Da außen auf dem Wagen stand „in allen Sprachen“, fragte ich ihn zuerst auf Spanisch, ob er deutsch spräche. „No!“ Dann fragte ich ihn auf Schulenglisch (mein Englisch ist schlechter als mein Spanisch), ob er Englisch spricht: „Un poco!“ „Na ja, so wie ich wahrscheinlich!“ Er winkt mich zu sich, stellt einen Stuhl neben seinen, deutet mir, ich soll mich zu ihm setzen!
Bevor ich meine spanischen Floskeln abhakte, die hier sicher unpassend wären, zeigt er auf ein Laptop, gibt dort Google-Übersetzer ein und ich kann ihm auf deutsch schreiben, was ich für Anliegen habe. Ich zeige ihm den Strafzettel und schreibe, dass wir geparkt haben, da war kein Schild und kein Verbot und was wir jetzt machen sollen.
Die Tastatur ist spanisch, manche Buchstaben gibt es gar nicht oder sie sind ganz woanders. „Na super, jetzt sieht‘s auch noch so aus, als könnte ich nicht schreiben!“ Und die Übersetzung von Google ist teilweise total sinnlos.
Schließlich erklärt er mir, was ich selbst schon rausbekommen habe: 200 EUROS Strafe, die Hälfte, wenn Zahlung innerhalb der nächsten Tage. Lange schreibt er noch in den Computer, wo ich da hinfahren muss und dass ich der Autovermietung nichts zahlen soll; aber die Richtigkeit des Strafzettels scheint er nicht in Frage zu stellen.
Ich wollte schon aufgeben, versuche es aber noch ein letztes Mal und tippe energisch: „Können Sie mir erklären, wie die Parkregelung in der City ist, es war kein Schild da, keine Linie?“
Er tippt zurück, wo ich denn geparkt hätte. Meine Spanischkenntnisse wachsen in meiner Not, ich erkläre ihm, wo wir parkten.
Er tippt in den PC, Google übersetzt:
„Wir Bullen haben heute schon bemerkt, dass dort das Schild zerbrochen am Boden liegt.“
„Wir Bullen!“ Trotz meiner Not zerreißt es mich innerlich, dass er sich selbst als Bulle bezeichnet, bzw. Google dies tut, aber gleichzeitig flackert ein Hoffnungsschimmer in mir auf.
Ich zucke die Schultern: „Und nun?“
Er macht keine Anstalten. Meine Spanischkenntnisse bäumen sich nochmals auf und es sprudelt mitleiderregend aus mir heraus:
„Mi hija estudia en Malaga. 200 EUR son mucho, tengo quatro hijos……….“ („Meine Tochter studiert in Malaga. 200 EUR sind viel, ich habe vier Kinder……!“) Er tippt wieder ein und fragt, wann ich den dort geparkt habe.
„Hoy…!“ („heute!“)
Er greift zum Telefon, ruft einen Agenten an, spricht das Spanisch mit den typisch andalusischen Lispellauten. Es ist das schönste Spanisch, was ich je gehört habe, ich verstehe aber kein Wort.
„Mei is der liab“, denke ich mir und mustere ihn von der Seite. Dabei fällt mir auf, dass er gar nicht typisch spanisch aussieht. Er trägt eine Brille, hat keine dunklen Haare, aber wenigstens einen 3-Tage-Bart.
Er beendet das Telefonat und fängt wieder an, in den PC zu tippen. Google übersetzt: „Jetzt sind es statt 200 EUROS 300 EUROS!!“
Ich erstarre: „Por que? („Warum?“) – Wieso nur denke ich jetzt an Hans im Auto?!
Der Bulle tippt wieder: „Una broma“!
Irgendwo habe ich dieses Wort schon mal gehört! Google übersetzt schneller, als ich die Bedeutung rausfinde: „Ein Scherz!“
„Ein Scherz?“ – Soooo…, wer mich kennt, weiß, dass ich keine Berührungsängste habe. Aber selbst ich war erschrocken über meine Reaktion, die ich keineswegs unter Kontrolle hatte:
Ich gebe dem Polizisten einen Stoß auf den Oberarm und will eigentlich sagen: „Mei, du Depp du!“ Mein Hirn kann das nicht zeitnah auf spanisch übersetzen und ich höre mich sagen: „Tu hombre espanol!“ (Du spanischer Mann!“)??!!
Ich denke mal, er hätte mich verhaften können, in Deutschland wären es wahrscheinlich Widerstand gegen die Staatsgewalt und unerlaubte rassistische Äußerungen gewesen. Mein Blick geht von seiner Pistole zu seinem Gesicht und genau in dem Moment, in dem ich ihm in die Augen schaue, genau ab diesem Moment liebte ich Spanien, Malaga und genau diesen Bullen. Er lachte nur, nahm meinen Strafzettel und schreibt in Google: „Ist hinfällig, aber keinem was sagen!“
„Gracias, muchas gracias!!“
Über ½ Stunde war ich in der Wache und beim Auto angekommen steige ich ein und sag lässig: „Ist erledigt!“ Als wäre es ein Klacks gewesen.
Es war dann auch egal, dass wir für die Rückfahrt ins Hotel statt 7 km so an die 100 km gefahren sind. Das Navi war ohne Strom, das Kabel lag im Zimmer.
Im Hotel erlebten wir am nächsten Tag noch, dass während des Frühstücks ‘ne Kohorte von Polizisten aufmarschierte („die werden mich doch nicht noch nachträglich holen“?!).Diese wollten jedoch nur gemeinsam ein Autorennen in der Hotellobby ansehen.
Ein Spanier hat zu meiner Tochter mal gesagt:
„Wir Spanier müssen lernen, fleißiger zu sein, ihr Deutschen müßt lernen, lockerer zu sein.“
Und noch zwei Lieblingssprüche der Spanier:
„En el Sur no hay problemas!“ (Im Süden gibt es keine Probleme!)
„No pasa nada!“ (Macht nichts!“)
Das pulsierende Leben in einer Stadt im Süden am Meer, wo jung und alt gemeinsam locker sind, wird nicht nur meiner Tochter fehlen. Es wird mir immer positiv in Erinnerung bleiben:
no broma!